Historie der Messiaskapelle

Im Januar 1941 schloss der NS- Staat die Messiaskapelle (Kastanienallee 22, Berlin Prenzlauer Berg) als Zufluchts- und Taufort von Christ:innen jüdischer Herkunft gewaltsam.

2009 wurde sie nach Jahren hier praktizierter Erinnerung an die Opfer der Shoah unter den Täuflingen nicht zum Lern- und Gedenkort, sondern einer privaten Nutzung zugeführt.
Seit 2023 erinnert eine Stolperschwelle vor der Kastanienallee 22 an die Ermordeten.
Sie trägt die Inschrift:


MESSIASKAPELLE
WICHTIGSTER TAUFORT FÜR ÜBER 700 JUDEN UND JÜDINNEN IM NATIONALSOZIALISMUS
1938 BEI NOVEMBERPOGROMEN VERWÜSTET
1941 GESCHLOSSEN DURCH DEN NS-STAAT
MINDESTENS 86 DER HIER GETAUFTEN WURDEN DEPORTIERT, NUR ZWEI MENSCHEN ÜBERLEBTEN


Geschichte der Messiaskapelle von der Gründung bis zur Zeit des Nationalsozialismus

Messiaskapelle? Wie passt der Messias der jüdischen Bibel zu einer Kapelle des Christentums? Der Name war Programm – denn hier hatte die „Gesellschaft zur Beförderung des Christentums unter den Juden“ (Untertitel: „Berliner landeskirchliche Judenmission“) seit 1902 ihren Sitz. Der gesamte Gebäudekomplex in der Kastanienallee Nr. 22 in Berlin Prenzlauer Berg gehörte ihr. Die Kapelle im Hinterhof bot knapp 100 Menschen Platz im Gottesdienst.

NS-Zeit: Evangelische Kirche schloss Getaufte jüdischer Herkunft aus

In der Zeit der Naziherrschaft verweigerten immer mehr evangelische Kirchengemeinden Menschen jüdischer Herkunft die Taufe und schlossen bereits Getaufte aus ihren Reihen aus. Das geschah mit Billigung und Unterstützung der Evangelischen Landeskirche, die mehrheitlich vom Antisemitismus durchdrungen war.

Mehr als 700 Taufen jüdischer Menschen von 1933 bis 1941

So wurde die Messiaskapelle zentraler Ort des Taufunterrichts und der Taufe der meist erwachsenen Menschen jüdischer Herkunft aus ganz Berlin. Zwischen Januar 1933 und Januar 1941 wurden mehr als 700 Menschen hier getauft. Bei den Pogromen fiel die Messiaskapelle am 11.11. 1938 Verwüstungen zum Opfer - ohne Protest seitens der Evangelischen Kirche. Die „Gesellschaft zur Beförderung des Christentums unter den Juden“ richtete die Messiaskapelle nach dem Pogrom wieder her. Doch im Januar 1941 schloss sie der NS-Staat endgültig. Die Berliner Stadtmission verwaltete nun die Gebäude.


Auch Getaufte Opfer des Holocaust

84 der hier während der Zeit des Nationalsozialismus getauften Menschen fielen dem Holocaust zum Opfer. Die Arbeitsstelle für Erinnerungskultur im Evangelischen Landeskirchlichen Archiv Berlin erforschte von 2004-2008 einige Biographien dieser Menschen.

Die Messiaskapelle nach 1945

Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm die „Gesellschaft zur Beförderung des Christentums unter den Juden“ ihre Arbeit in der Messiaskapelle wieder auf und organisierte Gottesdienste für die Überlebenden. In den 70er und Anfang der 80er Jahren fanden hier über die Gottesdienste und Bibelstunden hinaus auch öffentliche Vorträge statt. Einmal gab es einen Anschlag auf die Kapelle, bei dem die gesamte Fensterfront der Hinterhaus-Kapelle zerschlagen wurde. Die DDR Behörden kamen in Bedrängnis bei diesem „Anschlag gegen ‚Juden‘“.

Vielfältige Nutzung durch Evangelische Träger nach 1945

Die „Gesellschaft zur Beförderung des Christentums unter den Juden“ schmolz zusammen und löste sich 1982 auf. Sie übergab die Kastanienallee 22 samt der 1982 entwidmeten Kapelle der evangelischen St. Elisabethstiftung. Ab 1989 nutzte diese die Gebäude unter anderen für Projekte mit Geflüchteten.

Erinnerungsarbeit beginnt 2004

2004 begann das Evangelische Clubheim für Berufstätige als Mieterin des Gebäudekomplexes zusammen mit der Arbeitsstelle Erinnerungskultur im Landeskirchlichen Archiv, auf die Geschichte des vergessenen Ortes hinzuweisen und öffnete die Kapelle für zahlreiche Veranstaltungen.

Versuch des Kirchenkreises, Messiaskapelle als Gedenkort zu erhalten, scheitert

2008 kaufte ein privater Investor das gesamte Gebäude Kastanienallee 22. Der Evangelische Kirchenkreis Berlin Stadtmitte versuchte mit einer Projektgruppe, die Messiaskapelle als Lern- und Gedenkort für deportierte Christ:innen jüdischer Herkunft zu erhalten. 2009 scheiterte der Versuch endgültig.