02/07/2024 0 Kommentare
„Der Glaube ist im Sport total präsent“
„Der Glaube ist im Sport total präsent“
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„Der Glaube ist im Sport total präsent“
Marcus Urban, ehemaliger Profi-Fußballer und Sportbeauftrager im Evangelischen Kirchenkreis Berlin Stadtmitte, über die Verbindung von Glaube und Sport und wie er zu den Olympischen Winterspielen in China steht
Glaube und Sport – wie passt das eigentlich zusammen?
Marcus Urban: Um etwas zu erreichen, muss ich an etwas glauben, gerade als Sportler. Dabei hat Glaube viele Facetten: Der Glaube an die eigene Leistungsfähigkeit, daran, wie man an sich arbeitet, um den sportlichen Zielen näher zu kommen. Das geht vom körperlichen Training bis hin zum Mentaltraining – ich sage auch gerne seelisches Training dazu.
Sie sind gläubiger Christ und haben sich im vergangenen Sommer beim CSD-Gottesdienst in der Berliner St. Marienkirche taufen lassen...
Ich bin ja ohne Religion, ohne Kirche in der DDR groß geworden. In den 90er-Jahren habe ich mich dann mit Religion beschäftigt, zuerst mit der Hare-Krishna-Bewegung, später mit Hinduismus und mit Buddhismus. Ich habe angefangen, regelmäßig zu meditieren, was ich bis heute praktiziere. Wenn man so will, bin ich über Buddha zu Gott gekommen.
Ist eine religiöse Verankerung für Sportlerinnen und Sportler wichtig?
Für viele ist es wichtig. Das sieht man jetzt bei der Olympia-Übertragung, aber auch bei anderen Sportereignissen: Viele machen vor dem Start oder vor dem Spiel das Kreuzzeichen. Beim Africa-Cup, der Afrikanischen Fußball-Meisterschaft, die gerade zu Ende gegangen ist, haben viele muslimische Spieler für ein kurzes rituelles Gebet ihren Kopf auf den Boden gelegt. Von daher: der Glaube ist total präsent im Sport.
Wie stehen Sie zur diesjährigen Winterolympiade? Wegen der Austragung in China sind sie ja sehr umstritten..
Ich bin da zwiespältig, es gibt mehrere Gedanken, die ich dazu habe. Natürlich müsste man sofort sagen: die Olympischen Spiele sollten aufgrund der Menschenrechtsverletzungen, der Klimaschutzverletzungen, der Tierschutzverletzungen abgesagt oder boykottiert werden. Diese Sichtweise ist emotional und berechtigt. Dann geht es bei Olympia auch immer um sehr viel Geld. Aber auf der anderen Seite denke ich an die olympischen Ringe als Zeichen der Verbundenheit, des Zusammenkommens.
Und wie erleben Sie ganz persönlich Olympia 2022?
Klar verfolge ich die Spiele und fiebere mit. Ich freue mich für die Sportler und Sportlerinnen, sehe ihre Leidenschaft, die Auseinandersetzung, wie sie sich die Hand geben am Ende, die Leistung des oder der anderen anerkennen, aber auch ihre Enttäuschung, wenn es nicht so gelaufen ist wie erhofft. Da ist so viel drin, was bunt und lebendig ist. Und alle vier Jahre zu erleben, dass die Welt zusammenkommt, ist unglaublich wichtig.
Fänden Sie es besser, wenn die Winterspiele nicht in China stattgefunden hätten? Oh, das ist schwierig zu sagen. Wo sollten sie stattfinden? Nur noch in Europa? Nur noch in demokratischen Ländern – ich weiß nicht, ob das die Lösung ist. Natürlich werde ich auch wütend, wenn ich an die Situation in China denke, die Menschenrechtsverletzungen, das Einsperren und Kasernieren von Menschen oder auch an die Missachtung des Tierschutzes in Südwestchina. Aber andererseits würde ich mir auch eine weltweite Weiterentwicklung wünschen, ein Wachsen und voneinander lernen. Ich denke, wir müssen versuchen, Verbindungen herzustellen, selbst klar Standpunkte zu beziehen. Das ist für mich Freiheit. Das kann ich auch als Sportler:in ein Stück weit vorleben – und damit andere dazu bewegen, diese Schritte auch zu tun.
Zur Person:
Marcus Urban (50) ist ein ehemaliger deutscher Fußballspieler. Er wurde durch die Veröffentlichung seiner Biografie „Versteckspieler“ (Blaschke/ Urban 2008) als erster geouteter Profifußballer in Deutschland bekannt. Urban studierte an der Bauhaus- Universität Weimar und der Universitá Federico II Napoli, arbeitete als Diplom-Ingenieur, Designer und Marketing-Assistent für Künstler:innen mit Handicaps. Inzwischen ist er vorwiegend als Berater und Coach tätig und als Experte unter anderen beim Deutschen Olympischer Sportbund , dem Deutschen Bundestag und der Universität Basel gefragt. Seit mehreren Jahren ist er Sportbeauftragter und Systemischer Coach im Evangelischen Kirchenkreis Berlin Stadtmitte.
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