02/07/2024 0 Kommentare
"Pflege in Not": Bundesweit zu wenig Beratungsstellen
"Pflege in Not": Bundesweit zu wenig Beratungsstellen
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"Pflege in Not": Bundesweit zu wenig Beratungsstellen
Die Berliner Kriseneinrichtung "Pflege in Not" sieht bundesweit einen wachsenden Beratungsbedarf bei Menschen, die chronisch kranke Angehörige zu Hause pflegen. Angesichts der stetigen Zunahme von Pflegebedürftigen müsse in jedem Bundesland mindestens eine Anlaufstelle für Konfliktfälle geschaffen werden, sagte die Leiterin der Beratungs- und Beschwerdestelle "Pflege in Not", Gabriele Tammen-Parr, dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Berlin. Bislang gebe es bundesweit erst 13 derartige Kriseneinrichtungen. In Ostdeutschland existieren lediglich in Berlin und Brandenburg Anlaufstellen für "Pflege in Not".
Das Angebot richtet sich an Pflegebedürftige wie an pflegende Angehörige. In erster Linie gehe es dabei um die "eigene Überforderung", Verzweiflung, Wut und Aggressionen, sagte Tammen-Parr. Körperliche Gewalt sei in jedem dritten Fall Grund für ein Beratungsgespräch.
Bundesweit würden fast drei Viertel aller Pflegebedürftigen zu Hause gepflegt, sagte Tammen-Parr, davon fast 70 Prozent nur durch Angehörige und Bekannte, zumeist Frauen, ohne Unterstützung eines Pflegedienstes. "Die Frage ist, was tun, wenn die Pflege schwer wird, Konflikte entstehen." Dafür gebe es die Krisenzentren von "Pflege in Not".
In der Vergangenheit seien vor allem Missstände in den Pflegeheimen öffentlich thematisiert und unter die Lupe genommen worden. "Die großen Dramen spielen sich aber zu Hause ab", sagte Tammen-Parr. Ein Grund sei die lange Pflegedauer, die im Durchschnitt bundesweit zehn Jahre betrage.
"Wenn wir nicht anfangen, die Familien zu Hause zu stützen, wird in einigen Jahren ein finanzieller Super-GAU auf uns zurollen". Die Gefahr bestehe, "dass immer mehr Menschen nicht mehr bereit sind, ihre Angehörigen zu Hause zu pflegen, und sie stattdessen in ein viel teureres Heim abgeben". Das werde die Pflegekosten für die Allgemeinheit enorm in die Höhe treiben, sagte Tammen-Parr.
"Bei der Pflege zu Hause kommen sich die Angehörigen körperlich und emotional unheimlich nahe, manchmal näher, als von beiden Seiten gewünscht wird", erklärte die Pflegeexpertin. Oftmals erfolge dann auch ein Rollentausch, so dass Kinder plötzlich eine fürsorgliche und leitende Rolle gegenüber ihren Eltern übernehmen müssten, die Eltern sich aber unter Umständen dagegen wehren. Neben der langen Pflegedauer stelle zudem eine möglicherweise einsetzende Demenz bei den Pflegebedürftigen die Angehörigen vor besondere Herausforderungen.
Mit Blick auf Berlin sagte Tammen-Parr weiter, mit 24 Pflegestützpunkten habe die Hauptstadt "ein ziemlich gutes Beratungsnetz", soweit es um Informationen rund um Pflegeleistungen und -unterstützungen gehe. Das Personal in Pflegestützpunkten sei allerdings nicht für Gewalt und Konflikte in der Pflege zuständig: "Darauf sind wir spezialisiert", betonte Tammen-Parr.
Finanziert wird die Beratungsstelle derzeit mit jährlich 85.000 Euro vom Berliner Senat und weiteren 48.000 Euro von der Krankenkasse AOK. Pro Monat würden bis zu 180 Gespräche geführt, hinzu kämen noch einmal so viele Anrufer außerhalb der Geschäftszeiten, die ohne Nachricht auflegen. Die Zahl der Pflegebedürftigen wird sich in der Hauptstadt Schätzungen zufolge von derzeit 100.000 auf 170.000 im Jahr 2030 erhöhen. (epd)
Foto© inigaris/photocase.com
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