02/07/2024 0 Kommentare
Tolerantia Award für ehemaligen Superintendenten Bertold Höcker
Tolerantia Award für ehemaligen Superintendenten Bertold Höcker
# Nachrichten - Aktuelles
Tolerantia Award für ehemaligen Superintendenten Bertold Höcker
Wichtige Auszeichnung für unseren ehemaligen Superintendenten Bertold Höcker: Er bekommt am 8. März 2024 in Berlin den Tolerantia Award verliehen.
Nominiert werden die Preisträger:innen von unabhängigen Jurys in den jeweiligen Ländern. Gewürdigt werden Menschen, Einrichtungen und Gruppen für herausragendes Engagement, das demokratische Prinzipien wie Gleichberechtigung, Solidarität, gesellschaftliche Vielfalt und Toleranz sowie Einsatz gegen Homophobie, Rassismus, gegen jede Form von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit im eigenen Land, in Europa und darüber hinaus unterstreicht.
Die Preisträger*innen der TOLERANTIA AWARDS 2023 sind: Sarah Brethes, Mathieu Magnaudeix and David Perrotin (Frankreich), Robert Biedroń (Polen), Dr. Bertold Höcker (Deutschland) and Annette Whelan (Nordirland).
Dr. Bertold Höcker, evangelischer Theologe, Jahrgang 1958, ist in Kiel geboren und aufgewachsen. Er hatte immer schon den Wunsch Pfarrer zu werden, doch das war damals für einen Mann, der zu seiner Homosexualität stand, unmöglich. Deshalb begann er zuerst eine Lehre als Orgelbauer und arbeitete zwei Jahre als Geselle in diesem Beruf. Anschließend studierte er Kirchenmusik, was damals ohne
Abitur möglich war. Mit seinem Einkommen als Organist holte er am Abendgymnasium sein Abitur nach und lernte dabei bereits Latein und Alt-Griechisch. Es folgte das Doppelstudium der Theologie und der Psychologie. Beide Studien schloss er erfolgreich ab, die Theologie 1994 mit einer Promotion. Parallel dazu engagierte er sich in den LSBTIQ+ -Szenen, leitete bereits als Vikar mit Anfang 30 die AIDS-Hilfe Schleswig-Holstein in Kiel. Innerhalb eines Jahres musste er 30 junge Männer beerdigen, die – jünger als er selbst – an den Folgen von AIDS gestorben waren. Diese Zeit hat ihn geprägt. Von Kiel ging er nach Köln, wo er als Stadtpfarrer tätig war (2002-2009). Er übernahm regelmäßig die Gottesdienste zum Welt- AIDS-Tag am 1. Dezember und zum Kölner CSD, die von Jahr zu Jahr über das Fassungsvermögen des Kirchengebäudes hinauswuchsen und nach Außen übertragen werden mussten. In dieser Zeit arbeitete er eng mit der Bürgermeisterin der Stadt Köln, Elfi Scho-Antwerpes, zusammen und lernte ihr beharrliches Engagement sehr zu schätzen. 2009 wechselte er nach Berlin und übernahm die Stelle des Superintendenten des Kirchenkreises Stadtmitte der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz.
Dr. Bertold Höcker war schon früh überzeugt, dass seine Homosexualität gottgewollt war. Dass seine Identität gesellschaftliche Nachteile brachte, akzeptierte er, ohne sie zu verraten. Er entwickelte daraus vielmehr ein geduldiges Engagement für die Durchsetzung der Gleichberechtigung. Sein Studium führte ihn zur Beschäftigung mit mittelalterlichen Formularen für gleichgeschlechtliche Segnungen – sie lassen sich ab dem 12. Jahrhundert finden und zeigen immer auch ein Spannungsverhältnis zwischen biblischen Befunden und kulturellen Überlieferungen. Hierzu hat er viele Aufsätze verfasst. Seinerzeit gab es solche Segnungen nur für männliche Paare, sie waren aber trotzdem nicht unbedeutend, denn sie hatten juristische Folgen, beispielsweise die Versorgungspflicht auch für die Familie des Partners. Die Partner durften auch miteinander bestattet werden. Vor diesem Hintergrund setzte sich Dr. Bertold Höcker schon für die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare ein, als das in der Kirche noch nicht möglich war, sowie für die Schaffung von Räumen, in denen LSBTIQ+ Ansprechpersonen hatten, sich austauschten konnten und Stärkung fanden. Und er erarbeitete Aufklärungs- und Sensibilisierungsprojekte innerhalb der Kirche und wirkte schließlich mit am Schuldbekenntnis der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg- schlesische Oberlausitz (EKBO) von 2021 mit der eine Entschuldigung gegenüber der langanhaltenden Diskriminierung von LSBTIQ+ in der evangelischen Kirche und der Bitte um Vergebung verbunden ist.
Dr. Bertold Höcker ist ein konsequenter Vertreter des interreligiösen Dialogs. Er übernahm nicht nur die Idee der CSD-Gottesdienste, die er seit 2017 mit liberalen Juden und Muslimen zusammen feierte. Er betrieb aktiv die Zusammenarbeit mit der Ibn Rushd-Goethe Moschee und beschaffte ihr Räume in einer evangelischen Kirche in Berlin-Moabit. Er ist außerdem aktiv im Vorstand der Initiative "House of One", in dem die drei monotheistischen Weltreligionen in Berlin-Mitte, auf den Grundmauern der historisch ältesten Kirche in Berlin, ihren Platz finden sollen: Ein gemeinsames Dach für die Stärkung von Toleranz, LSBTIQ+ freundlichen und friedensstiftenden Potenzialen der Religionen, der Zusammenarbeit und des Zusammenlebens in unseren Gesellschaften. Dank ihm hat die EKBO einen eigenen Wagen beim Berliner CSD, mittlerweile dessen fester Bestandteil. Und er initiierte zusammen mit einer kleinen Gruppe der evangelischen Kirche Stadtmitte die vielbeachtete und vielkopierte Kampagne „Liebe tut der Seele gut“.
Dr. Bertold Höcker ist in vielen weiteren Initiativen, Bündnissen und Stiftungen aktiv, u.a. in der Flüchtlingskirche für LSBTIQ+, die sich gerade auch um LSBTIQ+ Geflüchtete kümmert, in der Lebensberatung am Berliner Dom, im Bündnis für Weltoffenheit und Toleranz, in der Constantia Stiftung für Miteinander und Vielfalt sowie in Beiräten zur Erhaltung von kirchlichen Kulturstätten.
Wir würdigen sein Engagement für Toleranz und Vielfalt, gegen LSBTIQ+ -Feindlichkeit und Hassgewalt, für Gleichberechtigung und Friedfertigkeit in unserer Gesellschaft. Wir danken ihm für seinen bisherigen Einsatz.
Die europäischen Tolerantia Awards werden seit 2006 als Gemeinschaftspreis der Organisationen MANEO (Deutschland), SOS homophobie (Frankreich), Lambda-Warszawa (Polen) und The Rainbow Project (Nordirland) vergeben. Die Preisverleihenden Organisationen sind Mitglied der ‚European Alliance Against Homophobia‘ (Berlin Alliance), die von den Organisationen 2005 in Berlin gegründet wurde. Das ‚Rainbow Project‘ aus Nordirland schloß sich diesem Bündnis 2014 an.Unsere Organisationen setzen sich unermüdlich für Menschen ein, die Ausgrenzung, Diskriminierung und gewalttätige Übergriffe erlitten haben und die Hilfe suchen.
Die Tolerantia Awards werden jährlich von den Mitgliedsorganisationen in einer ihrer Hauptstädte vergeben. Die Veranstaltungen werden ausschließlich ehrenamtlich organisiert und über Spenden und Sponsoring finanziert. Corona-bedingt konnte die Preisverleihung für das Jahr 2022 nicht stattfinden. Deshalb würdigen wir die Preisträger*innen von 2022 mit der Preisverleihung für das Jahr 2023 zusammen. Dazu lädt das schwule anti-Gewalt-Projekt MANEO nach Berlin ein.
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