Interview mit Dr. Silke Radosh-Hinder und Matthias Lohenner als Superintendententeam

Interview mit Dr. Silke Radosh-Hinder und Matthias Lohenner als Superintendententeam

Interview mit Dr. Silke Radosh-Hinder und Matthias Lohenner als Superintendententeam

# Nachrichten - Aktuelles

Interview mit Dr. Silke Radosh-Hinder und Matthias Lohenner als Superintendententeam

 
Liebe Dr. Silke Radosh-Hinder, lieber Matthias Lohenner, wir gratulieren Ihnen zum neuen Amt in der Leitung unseres Kirchenkreises. Bei jedem Start spielen ja die ersten 100 Tage eine besondere Rolle. Auf diese möchten wir mit Ihnen gemeinsam blicken, aus der Perspektive der anstehenden Kirchenjahresfeste dieser Zeit. Weil Sie beiden gleichberechtig als Doppelspitze Ihr Amt ausfüllen, haben Sie sich dazu entschlossen, die meisten Antworten gemeinsam zu formulieren.

Erntedank: Auf welche Früchte freuen Sie sich hier in unserem Kirchenkreis. Wovon können wir zehren? 

Um im Bild zu bleiben: Die evangelische Kirche in Berlin Stadtmitte erfreut sich einer großartigen Biodiversität, einer sehr vielfältigen Mischung aus sogenannten alten, manchmal seltenen, und aus neuen Sorten. Eine Mischung, so sagen es die Expert_innen, die sich als flexibel, widerstandsfähig und bewährt erwiesen hat. Das liegt insbesondere an dem beeindruckenden Engagement der vielen aktiven Menschen in Kirchengemeinden und an kirchlichen Orten. Wir können aber auch davon zehren, dass es in den letzten 14 Jahren an vielen Stellen in Stadtmitte gelungen ist, kirchliche Anliegen und die Inhalte unseres Glaubens mit denen der oft nicht-religiöse Öffentlichkeit zu verbinden. Beide Aspekte können und sollen weiterwachsen.

 
Mit dem Blick auf das Reformationsfest: Welche Visionen von Kirche beflügeln Sie, welche Reformen sind nötig?

Die Aufgabe bleibt vermutlich dieselbe: Wie kann unsere Hoffnung, Mut und Zuversicht so in die Welt gebracht werden, dass sie gehört wird, und im besten Sinne des Wortes den Menschen und der Welt nützlich ist? Und um das mit Begeisterung zu machen, wünschen wir uns mutige Reformen, die die daran Beteiligten selbst ermutigen.

Das Ziel könnte eine Kirche sein, die die Nöte und Sorgen der Welt in den Mittelpunkt stellt, weil sie der eigenen Verkündigung zutraut, helfen zu können.
 

Martinstag: Wem sollten wir uns als Kirchengemeinden zuwenden?

Als allererstes der Hoffnung und Zuversicht. Die warten nur darauf, von uns in Anspruch genommen zu werden. Die aktuelle Situation ist mehr als besorgniserregend: uns macht insbesondere die sich verdichtenden Haltungen von Verachtung, Hass und Gewalt ausgesprochen Sorge.

Wann, wenn nicht jetzt, zielt der Satz: „Fürchte Dich nicht!“ direkt auf die eigene Haltung. Das ist viel mehr als Vertröstung oder Naivität. Wo es heißt „Fürchte Dich nicht!“ weiß man, dass es Grund zum Fürchten gibt. Aber: Es gibt im Glauben einen verlässlichen Grund für Mut und Hoffnung!

Aus dieser Haltung erwächst ein offener und mutiger Blick für die Nöte der Stadt: Armut und Wohnungslosigkeit. Antisemitismus und Rassismus. Die evangelischen Gemeinden und Einrichtungen sehen, was vor der eignen Haustüre zu tun ist.

Buss- und Bettag, mit dem Blick auf den Klimawandel: Welche Umkehr, oder auch welche Neuausrichtung wünschten Sie uns als Kirchenkreis?

Es wird immer deutlicher, dass unser Verhältnis zur Welt, Erde, Umwelt zu einer destruktiven Nutzbarmachung verkommen ist. Mit der Übersetzung des biblischen Textes „Machet Euch die Erde untertan.“ haben wir Christ_innen dieser Haltung viel Vorschub geleistet. Eine grammatische Verschiebung würde hier unsere Haltung auf den Kopf stellen: „Macht Euch der Erde untertan.“
Eine Neuausrichtung würde also mit einem theologischen Schuldeingeständnis beginnen. Und unsere Beiträge zur Debatte um die richtigen Wege würden an Glaubwürdigkeit gewinnen.

Und Ewigkeitssonntag: Welcher Vers, welche Glaubenshoffnung schenkt Ihnen Mut und Trost dafür durch dunkle Phasen und Zeiten zu blicken?

Silke Radosh-Hinder: Ich bin Geschichtenerzählerin und  –sammlerin, die Schönheit und manchmal Absurdität des Lebens kommt da wie kaum an anderen Stellen ans Licht. Darum bin ich, wenn’s um meine persönliche Glaubenshoffnung geht, immer wieder bei den Geschichten aus der hebräischen und griechischen Bibel. Die Menschen dort sind keineswegs Super-Held_innen. Gott ist gerade da bei ihnen geblieben. Aktuell lasse ich mich von der Jonageschichte herausfordern, allein schon, weil es das einzige biblische Buch ist, das mit einem Fragezeichen endet.

Matthias Lohenner: Meine persönliche Gewissheit ist: Es gibt diese Ewigkeit Gottes. Darin sind meine (und alle anderen) Toten gut aufgehoben. Anders als früher denke ich heute, dass auch ich und alle Lebenden „dort“ sind – eben ewig; und nicht durch einen Aufenthalt in der Dimension von Raum und Zeit unterbrochen. Zeit und Ewigkeit, Himmel und Erde stehen in Verbindung. Das ist mir ein zusätzlicher Trost.

Vielen Dank! In fast 100 Tagen beginnt der Advent. Wir wünschen Ihnen Gottes Segen für die kommende Zeit: offene Türen, lichte Herzen und eine Hoffnung von der wir singen und sagen! 

Die Fragen stellte Michael Reinke.

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